Seelentausch
Der Seelentausch
Wenn nachts die Seele den Körper des Menschen verlässt, trifft sie sich im Land hinter den Monden mit anderen Seelen. Einmal stießen drei Seelen aufeinander und unterhielten sich über ihre jeweiligen Schicksale. Die erste Seele sprach: „Ich bin die Seele des Präsidenten eines großen Landes. Ich kenne die Macht. Was aber gibt es außer ihr noch?“
Die zweite Seele sprach: „Ich bin die Seele eines Bischofs einer großen Kirche. Ich kenne den Glauben. Was aber gibt es außer ihm noch?“
Die dritte Seele sprach: „Ich bin die Seele der Primaballerina eines großen Balletts. Ich kenne die Grazie. Was aber gibt es außer ihr noch?“
Die Seelen stellten sich diese Fragen gegenseitig, aber keine konnte auf sie eine Antwort geben. Da beschlossen sie, für einen Tag die Körper zu tauschen, um neue Erfahrungen zu machen. Die Seele des Präsidenten schlüpfte in den Körper des Bischofs, die des Bischofs in den der Ballerina, und die Seele der Tänzerin schließlich wurde zum Gast im Leib des Präsidenten. In der nächsten Nacht trafen sie sich im Land hinter den Monden wieder und berichteten über das Erlebte.
Die Seele des Präsidenten sagte: „Ich kenne die Macht und habe nun erfahren, dass es auch eine Macht des Geistigen gibt.“
Die Seele des Bischofs sagte: „Ich kenne den Glauben und habe nun erfahren, dass es auch einen Glauben des Schönen gibt.“
Die Seele der Primaballerina sagte: „Ich kenne die Grazie und habe nun erfahren, dass es auch eine Grazie der kraftvollen Stärke gibt.“
Die drei Seelen sprachen lange über ihre neuen Erkenntnisse, dann aber merkten sie, dass auch diese nur einen Teil der Wirklichkeit zu erkennen geben. Da beschlossen sie, am kommenden Tag nochmals die Körper zu tauschen. Nun legte sich die Seele des Präsidenten in den Körper der Tänzerin, die des Bischofs in jenen des Präsidenten, und die Seele der Ballerina wohnte für einen Tag im Körper des Bischofs. In der darauffolgenden Nacht kamen die Seelen erneut zusammen und sprachen über das am Tag Geschehene.
Die Seele des Präsidenten sagte: „Ich kenne die Macht, habe erfahren, dass es auch eine Macht des Geistigen gibt und weiß nun um die Macht der Anmut.“
Die Seele des Bischofs sagte: „Ich kenne den Glauben, habe erfahren, dass es auch einen Glauben des Schönen gibt und weiß nun um den Glauben der Herrschaft.“
Die Seele der Tänzerin sagte: „Ich kenne die Grazie, habe erfahren, dass es auch eine Grazie der kraftvollen Stärke gibt und weiß nun um die Grazie der Gottesliebe.
Die
drei Seelen waren mit ihren neuen Erfahrungen zufrieden, und als die
Morgendämmerung anbrach, kehrten sie in ihre eigentlichen Körper zurück. Von
diesem Tage an wurde die Politik eine Spur menschlicher, die Religion eine Spur
weiser und die Kunst eine Spur verständlicher.
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