Ohne Stecker


Eine blühende Wiese im Sonnenlicht am frühen Morgen, mit dem Text: "Algorithmenfrei"

Bild: unsplash.com/Quinsey Sablan

Nicht verrechnet.

An einem herrlichen Frühlingstag war ich mit Elsa zum Waldrand gegangen, und wir blickten in die blühenden Wiesen, die sich vor uns ausgebreitet hatten. „Dieses wunderschöne erste Grün hat einfach seinen Zauber, nicht wahr?“ meinte meine Freundin und blinzelte ins vielfarbige Licht. „Es ist so anders als das satte Grün des Sommers. Das Blühen macht den Unterschied.“ Wir standen vor einer Wiese, auf der viele unterschiedliche Blumen blühten, in allen Formen und Farben. „Solche Wiesen sind selten geworden, wir sollten dankbar dafür sein, dass sie unserer Seele diesen Blütenreichtum schenken.“ Und sie fügte mit einem leisen Freudenseufzer hinzu: „Was für ein Bild!“

Ich stimmte Elsa zu und erfreute mich ebenfalls an der farbenfrohen Pracht. Doch ich war auch nachdenklich. In jenen Tagen beschäftigte mich der Gedanke, wie die künstliche Intelligenz unser aller Leben mehr und mehr beeinflusst. Vor allem im kreativen und künstlerischen Bereich machte ich mir darüber große Sorgen. So sagte ich nach einer Weile, dass ein KI-Programm mit einem Klick solche Landschaften erschaffen kann. Das würde mich sehr beunruhigen. Braucht es die Natur noch, das Original, das Lebendige? So fragte ich die kleine Frau an meiner Seite. Sie blieb eine Weile stumm und blickte weiter in die Weite. Doch ich sah, wie ihr Gesichtsausdruck nachdenklicher wurde. Dann wandte sie sich mir zu, noch immer lächelnd (aber verhaltener):

„Die Entzauberung der Welt geht mit ihrer Verrechnung einher. Und in der KI ist die Verrechnung auf ihre Spitze getrieben. Jetzt wird Wirklichkeit durch künstliche Rechenleistung erzeugt. Selbst Gott musste sich damals noch eines Klumpen Lehms bedienen, um daraus den Menschen zu formen. Um sprechende, lachende, tanzende oder singende Menschen zu erschaffen, braucht man heute nicht Gott zu sein, und Lehm braucht’s auch nicht. Die magischen Fähigkeiten von früher sind per Klick abrufbar, von jeder und jedem, zu welchem Zweck auch immer. Aber was willst du wissen? Wie das Spiel ausgeht?“

Elsa blickte wieder in die Landschaft hinein, über der ein Chor von Lerchen ihre Arien in einem lieblich aufdrängenden Stakkato in die warmen Lüfte schleuderten.

„Ich bin keine Prophetin. Alles ist möglich. Kreieren wir das Hier und Heute im Hier und Heute. Lassen wir das Tote dem Toten folgen und uns am Lebendigen lebendig erhalten. Alles andere braucht Hoffnung und Zuversicht.“ Da wollte ich wissen, wo wir Hoffnung und Zuversicht in diesen chaotischen und dramatischen Zeiten hernehmen sollten. Da lächelte Elsa wieder und deutete zuerst zur Wiese hinüber und dann zum Himmel hinauf: „Hier, ganz einfach hier – oder wo immer sich das Wahre uns zeigt. An solchen Orten sind wir vor allen Algorithmen sicher. Hier gibt es genau das nicht, was diese brauchen, wie wir die Luft zum Atmen. Findest du hier eine Steckdose? Na, siehst du. Und dieses vor Leben strotzende Hier und Jetzt zwingt irgendwann jeden Handyakku in die Knie."

Wir beide lachten. Die Lerchen störte das nicht.

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