Die Krise der Narration
Byung-Chul Han
Die Krise der Narration, Mattes & Seitz, 2023
Klappentext:
Erzählungen bringen das Bindende, das Verbindende und das Verbindliche hervor. Dadurch stiften sie Gemeinschaft und beseitigen Kontingenz. Doch gerade da, wo alles wie heute so beliebig und zufällig geworden ist, das heißt mitten im Kontingenzsturm der Informationsgesellschaft, meldet sich das Storytelling laut zu Wort und lässt zirkulierende Narrative selbst als kontingent erscheinen.
Das Storytelling breitet sich aus inmitten einer großen Desorientierung und Sinnleere, die unsere Informationsgesellschaft charakterisieren. Es bedient zwar ein tief empfundenes Bedürfnis nach Erzählung, aber letztlich bringt es nur Erzählungen in Konsumform hervor. Erzählung und Werbung fallen in eins. Der Kapitalismus eignet sich die Erzählung an: stories sell. Storytelling ist Storyselling. Dadurch verlieren Erzählungen ihre ursprüngliche Kraft.
Das allgegenwärtige Storytelling vermag die Informationsgesellschaft nicht in eine Erzählgemeinschaft zurückzuverwandeln. Erzählung und Information sind Gegenkräfte. Der inflationäre Gebrauch von Narrativen weist paradoxerweise auf eine Krise der Narration hin. Diese narrative Krise hat allerdings eine lange Vorgeschichte. Byung-Chul Hans neuer Essay spürt ihr nach. Damit setzt Han seine Reflexionen über unsere Informationsgesellschaft konsequent fort.
Zitat:
Wir erzählen uns keine Geschichten mehr. Dafür kommunizieren wir
exzessiv. Wir posten, sharen und liken. Jene „rituelle Kontemplation“, die den
kollektiven Bewusstseinsinhalt absegnet eicht dem Kommunikations- und
Informationsrausch. Der Kommunikationslärm bringt jenen „Gesang“ ganz zum
Verstummen, der die Dorfbewohner in die eine Geschichte einstimmt und sie damit
zusammenschweißt. Diese Gemeinschaft ohne Kommunikation weicht einer
Kommunikation ohne Gemeinschaft.
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