Ein Lob der Untätigkeit
Byung-Chul Han
Vita Contemplativa – Oder von
der Untätigkeit, Ullstein, 2022
Die Fähigkeit zur Untätigkeit kommt uns gänzlich abhanden. Dabei ist Untätigkeit keine Negation, keine Verweigerung, keine bloße Abwesenheit von Tätigkeit, sondern ein eigenständiges Vermögen. Byung-Chul Has neuer Essay stellt Untätigkeiten als Glanzformen der menschlichen Existenz dar. Er zeigt überzeugend, dass die gegenwärtige Krise unserer Gesellschaft nach einer ganz anderen Lebensform ruft, die auf der Vita contemplativa beruht. Er plädiert dafür, menschliches Handeln um ein kontemplatives Moment zu ergänzen. Nur so können wir der Zerstörung der Natur entgegenwirken.
Die Untätigkeit, so Byung-Chul Han, macht das Humanum aus. Sie ist das Ferment der Kultur. Wo allein das Schema von Reiz und Reaktion, von Bedürfnis und Befriedigung, von Problem und Lösung, von Ziel und Handlung herrscht, verkümmert das Leben zum Überleben. Dabei erhält das Leben seinen Glanz erst von der Untätigkeit. Kommt sie uns als Vermögen abhanden, gleichen wir einer Maschine, die nur reibungslos zu funktionieren hat. Das wahre Leben entfaltet sich in dem Moment, in dem die Not des schieren Lebens aufhört. Der letzte Zweck menschlicher Anstrengungen ist die Untätigkeit.
Zitat:
„Im kommenden Reich des Friedens versöhnen sich Mensch und Natur. Der
Mensch ist nicht mehr als ein Mitbürger in einer Republik des Lebendigen, zu
der auch Pflanzen, Tiere, Steine, Wolken und Sterne gehören.“
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