Die ewige Wahrheit
Die ewige Wahrheit
Drei Gelehrte stritten sich darüber, ob es eine ewige Wahrheit gäbe oder nicht. Der erste Gelehrte hob sein heiliges Buch hoch und sprach:
„Es gibt eine ewige Wahrheit. Hier in dieser Schrift ist sie verewigt. Wer sich an die Worte des Buches hält, wird in der Wahrheit wandeln und sein Leben wird ein gottgeweihtes sein.“ Da schüttelte der zweite Gelehrte den Kopf und erwiderte:
"Es gibt keine ewige Wahrheit. Die Wahrheit ist ein Vogel, der mit den Winden zieht. Was ich jetzt in diesem Augenblick als wahr erkenne, ist es nur solange, bis dieser Moment vorbeigezogen ist und ein neuer am Horizont erscheint.“ Als der dritte Gelehrte die Worte seiner Freunde hörte, lächelte er und sprach mit leiser, aber fester Stimme:
„Ob es eine ewige Wahrheit gibt oder nicht, entscheidet jeder Mensch alleine für sich. Kein Buch kann so heilig sein, dass es eine Wahrheit für die Ewigkeit in sich beherbergen kann. Kein Augenblick ist so kurz und gering, dass er nicht den Keim einer ewigen Wahrheit in sich zu tragen vermag. Nur jener Mensch wird die Existenz einer ewigen Wahrheit in sich spüren können, der am Abend eines jeden Tages die unter dem warmen Schein der Sonne gehüteten Wahrheiten seiner Seele tötet und sie in den tauschweren Lüften eines neuen Morgen im Herzen neu gebären lässt. Nur so entsteht Ewigkeit, Brüder, wisst ihr das denn nicht?“
Die
beiden anderen Gelehrten schwiegen eine Weile. Dann vergrub sich der erste
wieder in sein Buch und der zweite zog mit der Fußspitze gedankenlos Kreise in
den Sand. Der dritte aber ging von dannen und suchte sich weisere Freunde.
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