Bonhoeffers Analyse der Dummheit

 

Wie Dietrich Bonhoeffer Dummheit definiert
Bild: pixabay.com

Bonhoeffers Analyse der Dummheit

Es war kürzlich, zwischen den Jahren 2024/25. Weihnachten war geprägt vom Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt, in Deutschland scharrten Politiker und Politikerinnen mit den Hufen, um ja den Start in den vorgezogenen Bundestagswahlkampf nicht zu verpassen. Donald Trump würde in wenigen Wochen erneut ins Weiße Haus einziehen und Elon Musk machte sich einen bitterernsten Spaß daraus, deutsche Politiker übelst zu beschimpfen und zu beleidigen. Die Stille der Rauhnachtzeit war bedrückend. In dieser deprimierenden Stimmung machte ich mich wieder auf, Elsa in ihrem Wald zu besuchen.

Ich fand sie in ihrer Hütte beim Räuchern, so wie es früher zu dieser Zeit üblich war und es heute bei meiner alten Freundin noch immer ist. Wir saßen bei heißem Tee beisammen und sinnierten über die Lage von Gesellschaft, Land und Welt. Ich machte aus meiner Betrübnis darüber keinen Hehl und ich fragte die alte Frau, warum nur so viele Menschen machtsüchtigen Milliardären und rechtsextremen Politkern blind folgen würden.  Elsa senkte den Blick. „Tja“, sagte sie mit leiser Stimme, „das ist ein Phänomen, das so alt ist wie die Menschheit. Das Gewissen als ethisch-moralische Instanz der Seele, ist zerbrechlich. In dunklen Zeiten droht immer ihr kollektives Zersplittern. Nun droht wieder eine solche Zeit der Finsternis. Dagegen kann man wenig ausrichten, aber man darf die Gewissheit in sich tragen, dass sie vorübergeht.“

Ich kauerte auf dem gepolsterten Stuhl und wärmte meine Hände an der Tasse, die vor mir auf dem Tisch stand. Dann fragte ich nach und wollte wissen, warum auch so viele gebildete Menschen diesen düsteren Gedanken und Überzeugungen anhängen würden, das passe doch gar nicht zusammen. „Doch“, entgegnete mir Elsa sogleich, „das passt durchaus. Wir erleben eine Zeit der gesellschaftlichen Verblödung, und dagegen ist niemand immun, auch nicht die studierten Leute.“

Elsas Wortwahl irritierte mich. Ist „Verblödung“ nicht ein zu salopper, ja auch zu harter Begriff? Elsa bemerkte meine Skepsis. „Doch, du hast richtig gehört“, antwortete sie mir mit einem schüchternen Lächeln. „Es hat etwas mit Dummheit zu tun. Und wenn ich sage, dass heute viele Leute dumm sind, dann meine ich das nicht auf intellektueller, sondern auf ethisch-moralischer Ebene. Das ist keine Abwertung, das ist eine schonungslose Analyse. Der ethische Kompass der Gesellschaft stimmt nicht mehr, das moralische Magnetfeld droht zusammenzubrechen. Das macht die Menschen anfällig für diese Dummheit. Schau sie dir doch an: Sie wettern gegen die politische Elite und folgen blind einer kapitalistischen Elite, der es nur darum geht, ihre eigenen Geldsäcke zu füllen. Was am besten funktioniert, wenn sie ein dummes Volk haben. Sie sehen sich als Verteidiger der Freiheit und folgen gleichzeitig diesen Verführern ohne jegliche Bedenken. Sie werfen anderen vor, willenlose Schlafschafe zu sein und verhalten sich selbst wie treudoofe Lemminge. Das ist moralische Dummheit.“

Ich blieb skeptisch. Ich verstehe, was sie sagen wolle, entgegnete ich, doch mir sei die Verbindung zur Dummheit nicht klar. „Über Begriffe kann man streiten“, war ihre Antwort. Dann nippte sie an ihrem Tee, stand auf und ging zu ihrem Bücherschrank. „Das Wort Dummheit in diesem Zusammenhang stammt nicht von mir. Diese Analyse stammt von Dietrich Bonhoeffer. Komm, ich erkläre es dir.“ Sie zog ein Buch aus dem Regal und legte es vor mich auf den Tisch und schlug es auf. Als ich in die Seiten blickte, verschwammen die Buchstaben, bis nur eine weiße Fläche übrigblieb. Plötzlich verdunkelte sich diese und ich sah in einen großen Bildschirm. „Schau dir das in Ruhe an“, sagte Elsa mit leiser Stimme. Und dann …    



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