Vom Stern der Wahrheit und den Fliegen der Lüge
Vom
Stern der Wahrheit und den Fliegen der Lüge.
Kürzlich erzählte mir meine weise Freundin eine Geschichte, die mich sehr zum Nachdenken brachte. Es war an einem milden Spätsommerabend und wir saßen wie so oft auf der Bank vor Elsas Hütte. Die Sonne war schon untergegangen und hatte die himmlische Bühne den Sternen übergeben, die nach und nach aufblinkten. Da erzählte mir Elsa die Geschichte vom Stern Veritate und seinem Planeten Fiducia. Und diese ging so:
Vor undenklichen Zeiten, lange bevor es Menschen auf der Erde gab, stand ein Stern am Himmel, der damals der hellste und schönste von allen war. Sein Name war Veritate, was Wahrheit bedeutet. Ihn umkreiste ein einziger Planet, Fiducia genannt, das heißt Vertrauen. Fiducia kreiste in einer harmonischen Bahn um Veritate und so gedieh auf dem Planeten ein üppiges Leben. Wie die Sonne auf unserer Erde schenkte der Stern seinem Planeten den Wechsel von Tag und Nacht, Sommer und Winter und damit auch von Leben und Tod. Die Geschöpfe, die auf Fiducia lebten, waren glücklich und zufrieden und lebten alle in Eintracht miteinander. Das ging abertausende von Jahren so, bis auf dem Planeten aus der Spalte eines großen Berges schwarze Fliegen krochen, Fliegen, die es bisher auf Fiducia nicht gab. Und da sie keine natürlichen Feinde hatten, vermehrten sich die Fliegen rasch über den gesamten Planeten.
So ging das einige Jahre. Schließlich waren die schwarzen Fliegen so zahlreich geworden, dass sie den Himmel verdunkelten und vom Stern Veritate kaum mehr Licht auf den Boden des Planeten dringen konnte. Die Fliegen aber nannten sich „Mentimur“, was so viel bedeutet wie „Wir lügen“. Nun fehlte es den Lebewesen von Fiducia immer mehr am Licht der Wahrheit, das vom Stern Veritate ausging. Hingegen verbreitete sich das Gift der Lüge immer mehr unter ihnen, sodass sie nach und nach das Vertrauen ineinander verloren, jenes Vertrauen, das für einen Planeten namens Fiducia lebenswichtig war. So starben immer mehr der Lebewesen auf Fiducia aus.
Ein mächtiger Baum, der im Zentrum des Planeten stand, trotzte der todbringenden Macht der Fliegen am längsten. Er trug den Namen Spe, was auf das Wort Hoffnung verwies. Erst als das Heer von Fliegen keinen einzigen Lichtstrahl von Veritate mehr durchließ, verlor auch er das Vertrauen in das Leben, starb und verdorrte.
Mit einem Planeten ohne Leben aber alterte der Stern sehr schnell und wurde zu einem Roten Riesen. Er zog sich ins Sternbild Andromeda zurück, sodass er von der Erde aus nur noch schwer zu sehen war. Die Geschichte von Veritate, die die Menschen noch lange erzählten, geriet in Vergessenheit und niemand kannte mehr den Namen des Sterns und dessen Planeten. Als aber vor einiger Zeit auch auf der Erde die ersten Mentimur-Fliegen gesichtet wurden und sich ausbreiteten, erinnerten sich einige Astronomen wieder an die Erzählung von früher. So gaben sie dem seither namenlosen Stern seinen alten Namen wieder. Den Planeten aber benannten sie nach dem Baum der Hoffnung, der bis zum Schluss den todbringenden Lügen trotzte. Seither heißt er Spe.
Jedes
Mal, wenn wir heute des Nachts zum Himmel in Richtung des Sternbildes Andromeda
schauen, können wir uns an diese alte Geschichte erinnern und die Hoffnung in
unseren Herzen wachsen lassen, dass die Wahrheit niemals für immer stirbt. Und
das kann uns Vertrauen ins Leben zurückgeben. So wird Fiducia – das Vertrauen,
das Veritates Planeten einst so sehr prägte – in unseren Herzen neu geboren.
Die Fakten hinter der Geschichte: https://de.wikipedia.org/wiki/Veritate
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